Die ernüchternde Leistung des FC Barcelona gegen Slavia Prag sorgt für zunehmende Kritik an der Spielweise der Katalanen und an Coach Ernesto Valverde. Nun äußerte sich Trainer-Ikone Arsene Wenger ebenfalls zu dieser Thematik und bemängelt die Abhängigkeit von Lionel Messi. An den Durchbruch seines Landsmannnes Antoine Griezmann im Trikot der Blaugrana glaubt Wenger allerdings weiterhin.
Hängende Köpfe und ratlose Gesichter prägten das Bild auf dem Platz, als Schiedsrichter Michael Oliver das Champions-League-Heimspiel gegen Slavia Prag beendete. Keine zwei Sekunden dauerte es, da wurde über die Stadionlautsprecher schon die Barça-Hymne eingespielt, denn der Pfiff des Engländers sollte nicht der einzige im weiten Rund bleiben. Von den spärlich gefüllten Rängen im Camp Nou – nur rund 67.000 Zuschauer waren gekommen, die geringste Zuschauerzahl bei einem Heimspiel in der Champions League seit 2017 – ertönte fast schon ein regelrechtes Pfeifkonzert, was man in der Art und Weise von den Culés wahrlich nicht gewohnt ist.
Der lethargische, lustlose und unkonzentrierte Auftritt der Mannschaft von Trainer Ernesto Valverde sorgte bei den Fans für großen Unmut, die diesen nach dem 0:0 deutlich zum Ausdruck brachten. Dabei geht es viel weniger um das reine Ergebnis, schließlich sind die Katalanen immer noch ungeschlagener Erster in der “Todesgruppe” und haben alle Chancen auf das Weiterkommen selbst in der Hand.
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Es ist die Art und Weise dieser Auftritte, die sich wie ein roter Faden durch die bisherige Saison zieht. Natürlich ist Slavia Prag keine Laufkundschaft und hat bereits mit guten Leistungen im Hinspiel oder gegen beispielsweise Borussia Dortmund auf sich aufmerksam gemacht, doch vom FC Barcelona, der über 30 Heimspiele im schillersten europäischen Klub-Wettbewerb nicht verloren hat, muss man an einem solchen Abend mehr erwarten dürfen.
“Messidependencia” laut Wenger größtes Problem
Während bei den Anhängern der Katalanen schon seit geraumer Zeit eine Trainerdiskussion geführt und die Spielweise kritisiert wird, meldete sich nach dem Spiel auch eine Trainerlegende zu Wort: Der ehemalige Arsenal-Coach Arsene Wenger übte große Kritik am Auftritt der Blaugrana: “Es ist ein schlechter Abend für Barcelona – aufgrund des Resultats und der Art und Weise, wie sie gespielt haben”, analysierte der Ex-Arsenal-Coach in seiner Funktion als Experte beim TV-Sender beIN Sports.
Wenger bemängelte die generelle Spielweise der Blaugrana: “Sie spielen wie eine Mannschaft, die in der Krise ist. Das Spiel ist zu langsam, es gibt keine Dynamik, im letzten Drittel spielen sie zu individuell. Und immer, wenn sie den Ball verlieren, sieht es so aus, als könnten sie ein Gegentor nach einem Konter kassieren. Man sieht einfach, dass es der Mannschaft an Dynamik, Energie und Selbstvertrauen fehlt.“
Schon letzte Saison hörte man unter Fans des FC Barcelona immer wieder, dass Valverde keinen wirklichen Matchplan hätte und die Liga nur dank herausragender individueller Leistungen, insbesondere von Leo Messi in der Offensive und Marc-André ter Stegen im Tor, gewonnen worden wäre. Wenger schlug nun in die gleiche Kerbe: “Barcelona ist ein interessanter Fall: Sie sind bekannt dafür, ein fantastisches Kollektivspiel zu haben – und dazu kam dann obendrauf noch Messi, der den Unterschied ausmachte. Heute sieht es so aus, als würden sie darauf warten, dass Messi etwas macht – die Grundstärken des Teamspiels sind etwas verschwunden. Und man denkt: Wann wird Messi den Ball bekommen, um etwas zu machen?“
“They play like a team in crisis!”
Wenger rips into #FCBarcelona at half-time.#beINUCL #beINWenger
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— beIN SPORTS (@beINSPORTS) November 5, 2019
Wenger glaubt an Griezmann
Wenn man sich die Namen anschaut, die in der Offensive neben Lionel Messi auf dem Feld stehen, bekommt immer häufiger ein bestimmter einen Großteil der Kritik ab: Antoine Griezmann. Gegen Prag wurde er für die meiste Zeit erneut auf dem linken Flügel eingesetzt – eine Position, die dem Neuzugang keineswegs liegt. Seit den Tagen, als er noch bei Real Sociedad unter Vertrag stand, ist er kein klassischer Flügelspieler mehr und wird es wohl auch nicht wieder werden. Seine Stärken liegen im Kombinationsspiel und im Abschluss, welche er aus einer zentraleren Rolle deutlich besser einbringen könnte.
Auch über seinen Landsmann verlor Arsene Wenger in seiner Analyse ein paar Worte, ohne dabei aber auf die Positionierung des 28-Jährigen einzugehen: “Griezmann hat eine fantastische Einstellung, er ist ein großartiger Spieler, und auf lange Sicht wird er sich anpassen, denn er ist bereit, für das Team zu kämpfen. Im Moment glaube ich, dass er zu sehr versucht, ein Teamspieler zu sein, und vergisst dabei sein eigenes Talent. Letztes Jahr hätte er nach Barcelona wechseln sollen, am Ende entschied er sich, bei Atlético Madrid zu bleiben. Dieses Jahr ging er zu Barça, und er fühlt sich schuldig. Wenn ich ihn spielen sehe, sehen wir nicht den richtigen Griezmann. Er will alles für das Team tun, und vergisst dabei sein eigenes Talent.“
Besonders während der verletzungsbedingten Abwesenheit Luis Suárez’ hatten sich viele erhofft, dass Griezmann eine zentralere Rolle näher zum gegnerischen Tor einnehmen könnte. Doch gegen Slavia lief das Spiel erneut an ihm vorbei, Griezmann hatte nur 42 Ballaktionen, Messi und der Franzose tauschten untereinander nur vier(!) Pässe aus. Eigentlich sollte es der hohe Fußball-IQ den beiden ermöglichen, in der Spitze für Chaos zu sorgen – wenn denn Griezmann auf einer passenderen Position eingesetzt werden würde.
Barça schlittert in der derzeitigen Verfassung einer Krise entgegen, die Probleme der Mannschaft sind vielfältig, das hat nicht nur Arsene Wenger messerscharf analysiert. Sollte das nächste Heimspiel gegen Celta Vigo am Samstagabend auch in den Sand gesetzt werden, dürfte es endgültig richtig ungemütlich für Valverde werden.