Der tiefe Winter herrscht über Europa. Die Tage sind kurz und die Nächte lang. Schnee liegt auf den Straßen, Kälte umgibt uns und nährt die Sehnsucht nach der Strahlkraft der Sonne, die in uns schöne, freundlichere Assoziationen hervorruft als diese Jahreszeit.
Auch die Pflanzenwelt hat ihr grünes Kostüm abgeworfen und stiftet ein trostloses Dasein noch weit über die Jahreswende hinaus. Es ist die Abwesenheit von Leben – nichts wächst, nichts blüht, die Lebewesen suchen nach Zuflucht in einem fernen Land oder langen Schlaf, und auch der Mensch an sich ist diesem trüben Umfeld verfallen. Es gibt nicht vieles, an dem er sich erfreuen kann, wenn er seine Blicke nach rechts und nach links schweifen lässt, in der Hoffnung, ein kleines Detail zu entdecken, das sich aus der grauen Landschaft hervorhebt. Zum Beispiel das Camp Nou spätabends, das in den dunklen katalanischen Nachthimmel einen hellen Lichtstrahl emporsandte, als würde es über eine eigene Sonne verfügen, die alles um sich herum zum Leben erweckt. Der Frühling ist in die Spielstätte eingekehrt und mit ihm eine bunte Gesellschaft, die nur so vor Tatendrang und Lebensfreude strotzte. Der einzige fruchtbare Ort inmitten eines langen, kalten Winters. Alles wächst und gedeiht vorzüglich, man muss später nur noch die Früchte ernten. Vieles ist aber auch schon Frühreif, weil es in der La Masia ideale Bedingungen für die Entwicklung vorgefunden hat. Der FC Barcelona befindet sich in einer beneidenswerten Position.
Schwacher Herausforderer
Mit einer Tordifferenz von 9:0 wurde L’Hospitalet aus dem Stadion verbannt. Auch wenn die Heimat der Gäste die Drittklassigkeit bildet, war diese Vorführung nicht vorauszusehen. So sehr sich der Herausforderer im Hinspiel gegen eine Niederlage gestemmt hat und dies ihm auch mit akzeptablem Erfolg gelungen ist, so wenig konnte er am Spätabend den Fußballkünsten der Katalanen entgegenhalten. Es war beschämend anzusehen, wie leicht es der Gegner dem FC Barcelona machte. Ein zweistelliges Resultat lag in der Luft und es ist nur dem puren Glück geschuldet, dass es nicht dazu kam. Für gewöhnlich halten es die Gastmannschaften für erstrebenswert, sich im Camp Nou von ihrer besten Seite zu präsentieren und auf diese Weise auf sich aufmerksam zu machen. Eine solche Gesinnung war bei L’Hospitalet nicht erkennbar. Flankiert wurde ihre mangelnde Einstellung von einem noch schlechteren Zweikampfverhalten und einer miserablen Raumdeckung, die auf der Gegenseite Chancen en masse ermöglichten.
Die zwei Gesichter des FC Barcelona
Der FC Barcelona hatte demnach wenig Mühe, die vielen Tore zu erzielen. Die Gegner waren starre Hütchenspieler, die man lediglich umlaufen musste. Im Hinspiel hat L’Hospitalet wesentlich mehr Gegenwehr gezeigt und die Katalanen vor Probleme gestellt. Es ist bezeichnend, dass das Tor beim 1:0 Erfolg durch einen Fernschuss von Iniesta erzwungen wurde. Der FC Barcelona wirkte wenig geistreich und ideenlos, als würde sie eine unüberbrückbare Trägheit fesseln. Das gestrige Erscheinungsbild war ein anderes. Es tat sich ein Kontrast auf hinsichtlich der Spielfreude und des Elans in diesen beiden Begegnungen, die durch eine beachtliche zeitliche Zäsur voneinander getrennt waren. Der FC Barcelona hat einen Wandel vollzogen im Verlauf der Hinrunde und sein langsames überschaubares Spiel immer mehr abgelegt. In der gestrigen Verfassung wäre die Entscheidung über den Einzug in die nächste Runde bereits im Hinspiel gefallen und man hätte nicht auf Leistungsträger wie Iniesta und Xavi zurückgreifen müssen. Dann käme es auch nicht zu der Verletzung von Iniesta am Beinbizeps, die ihn zu einer zweiwöchigen Auszeit zwingt. Die Verletzung ist noch eine Nachwehe der mäßigen Vorstellungen in den vorangegangenen Wochen und Monaten, man darf aber nach nunmehr einigen Spielen auf einem hohen Niveau davon ausgehen, dass die Mannschaft ihren unbedingten Siegeswillen wiedererlangt hat.
Cuenca und Tello setzen Pedro unter Druck
Auch ohne den verletzungsbedingten Abgang von Iniesta und der präventiven Auswechslung von Xavi hat das Spiel seine Grundausrichtung nicht verändert. Dafür sorgten nicht nur ein glänzend aufgelegter Fabregas und der stets ruhige und besonnene Thiago, sondern auch die „Baby-Barca“-Fraktion, die einmal mehr unter Beweis stellte, aus welchem Holz sie geschnitzt ist. Hervorzuheben sind dabei insbesondere die Namen Tello und Cuenca. Der FC Barcelona verfügt auch eine lange Perspektive zugrunde gelegt über Außenstürmer der absoluten Extraklasse. Sie sind schnell, technisch beschlagen und immer geistesgegenwärtig. Ihre Gegenspieler bekamen sie niemals ernsthaft in den Griff, sie sind ihren Gegnern nahezu die gesamte Spielzeit einen Schritt voraus gewesen. Darüber hinaus bewiesen sie, dass sie auch ein Auge für den Mitspieler haben. Eine überragende Vorstellung dieser jungen Spieler. Im Vergleich dazu blieb Pedro ein wenig blass und hinter seinen Möglichkeiten zurück. Seine Technik reicht nicht an jene der Jugendspieler heran, was für ihn problematisch werden könnte. Der FC Barcelona spielt nämlich sehr technisch betonten Fußball, in dessen Rahmen Techniker stärker hervorstechen können. Natürlich hat Pedro andere Attribute, die ihn von dem Rest abheben und der Mannschaft schon vielfach geholfen haben. Er darf aber seine Vorzüge nicht weiter vorenthalten, wenn er nicht von der jungen Garde in den Hintergrund gedrängt werden will. Bei einer Gesamtbetrachtung ist das selbstverständlich ein Luxus, ausgezeichnete Spieler konkurrieren um die Plätze im Sturm. Man erntete, was man sät. Visca el Barça!
Raphael L.