Erster echter Prüfstein nach der Corona-Pause: Barcelonas letzter Auftritt gegen Abstiegskandidat Leganés war lethargisch, das kann sich Barça im Spitzenspiel beim Tabellendritten FC Sevilla nicht erlauben. Unsere Vorschau zum Topspiel in La Liga.
„Uns fehlt die Klarheit und Feinheit am Ball“, monierte Quique Setién nach dem 2:0 gegen Leganés. Gefährlich wurde es gegen den Abstiegskandidaten zwar nur in den ersten Minuten, als Clément Lenglet für den bereits geschlagenen Marc-André ter Stegen auf der Linie retten musste, aber sowohl auf den Deutschen, als auch auf dessen Abwehr dürfte in den kommenden Wochen bedeutend mehr Arbeit zukommen.
Denn mit dem Gastspiel beim FC Sevilla beginnen für Barça die Wochen der Wahrheit. Das Spiel gegen Sevilla miteingerechnet, spielt Barcelona in den nächsten fünf Spielen gegen vier Europa-Aspiranten (FC Sevilla, Athletic Club, Atlético Madrid und FC Villareal).
Sevilla als erster Härtetest
Nachdem es mit dem RCD Mallorca und CD Leganés zum Auftakt gegen eher „kleinere“ Gegner ging, wartet mit dem FC Sevilla nun der erste Härtetest auf die Blaugrana. Um dieses Spiel zu gewinnen, und damit vor dem Erzrivalen Real Madrid zu bleiben, muss aber eine deutliche Leistungssteigerung im Vergleich zum Spiel gegen Leganés am Dienstag her.
Bei diesem Unterfangen nicht helfen können wird Samuel Umtiti. Der Franzose holte sich am Dienstag seine fünfte Gelbe Karte ab und wird nun im Spitzenspiel fehlen. Mit von der Partie sind dafür Jordi Alba, der seine Gelbsperre abgesessen hat, und Abwehrchef Gerard Piqué. Der Innenverteidiger hatte gegen Leganés einen Schlag abbekommen, der ihm einen Riss am Schienbein zugefügt hat, ist aber fit genug, um die Reise nach Sevilla anzutreten.
Roberto und de Jong fallen aus
Überraschend nicht mit dabei sind allerdings Sergi Roberto und Frenkie de Jong – ein harter Schlag für Setién. Roberto laboriert an einer Rippenverletzung, während der Niederländer mit einer Überbelastung der rechten Wade ausfällt. Für das Spitzenspiel bedeutet das, dass Sergio Busquets, Arthur, Ivan Rakitic und Arturo Vidal um die drei Startplätze im Mittelfeld kämpfen werden – jedoch konnten die drei Erstgenannten gegen Leganés nicht wirklich vollends überzeugen. Da Rakitic gegen den Abstiegskandidaten durchspielen durfte, ist damit zu rechnen, dass der Kroate nun bei seinem Ex-Klub auf der Bank Platz nehmen wird.
Zu überzeugen wusste auch Antoine Griezmann nicht, der erneut nicht wirklich in das Spiel der Blaugrana eingebunden war und ohne (reguläres) Tor blieb. Rakitic sagte im Anschluss an die Partie gegen die Pepineros aber: „Er wird treffen. Heute hat er getroffen, doch das Tor wurde annulliert. Er ist ein sehr wichtiger Spieler für uns.” In dieselbe Kerbe schlug auch Quique Setién: “Griezmann ist ein sehr wichtiger Spieler für uns. Solche Spiele ohne Räume sind schwer, aber er hat viel gearbeitet.”
Ob Ansu Fati wieder in der Startelf stehen wird, ist offen. Laut Setién „hatte er in der Pause ein paar Beschwerden, und wir müssen sichergehen, dass diese nicht schlimmer werden.“ Die frühe, und für einige überraschende, Auswechslung in der 54. Minute war also in erster Linie eine Vorsichtsmaßnahme. Es liegt auch im Bereich des Möglichen, dass Luis Suárez sein Startelf-Comeback feiern wird. Griezmann dürfte in diesem Fall wieder auf den linken Flügel ausweichen. Oder Setién vertraut wieder auf Martin Braithwaite, der gegen Leganés 90 Minuten draußen sitzen musste.
Der Lieblingsgegner von La Pulga
Lionel Messi wird sich auf die Begegnung am Freitag besonders freuen. Der FC Sevilla ist schließlich der Verein, gegen den er am häufigsten traf. Insgesamt 29-Mal ließ es der sechsmalige Weltfußballer schon im Kasten von Sevilla klingeln. Und auch an die letzte Begegnung im Estadio Ramón Sánchez Pizjuán hat der Argentinier gute Erinnerungen: Mit drei Toren schoss er Barça quasi im Alleingang zum 4:2-Sieg in der Hinrunde.
Es wird interessant werden, welche Mittel sich die Abwehr um Diego Carlos und den ehemaligen Madrilenen Sergio Reguilón ausdenkt, um Messis Aktionsradius einzudämmen. Dass La Pulga auch mal ein ganzes Spiel auf Sparflamme spielen und trotzdem der beste Mann auf dem Platz sein kann, zeigte er beim Spiel gegen Leganés.
Sevilla kämpft um die Champions League
Der FC Sevilla ist ebenfalls gut aus der Corona-Pause gekommen, wenn auch nicht mit der vollen Punkteausbeute wie Barça. Der 2:0-Sieg gegen den Stadtrivalen Betis war ein Traumstart, dagegen wurden beim 1:1 gegen den Tabellenzwölften Levante unnötig Punkte liegen gelassen – ein spätes wie unglückliches Eigentor von Diego Carlos sorgte für den Endstand.
Trainer Julen Lopetegui gab nach dem Spiel zu, das Gefühl sei „nicht sonderlich gut“, während Verteidiger Jules Koundé von „Frustration und Enttäuschung“ sprach – schließlich verschenkte Sevilla zwei Zähler im Kampf um die Champions League.
Für die Andalusier ist die Partie gegen Messi und Co. daher umso wichtiger, um weiter Punkte für die Champions-League-Qualifikation zu sammeln. Momentan stehen sie mit 51 Punkten auf Platz 3 der Tabelle, haben sie Atletico, Real Sociedad und Getafe im Nacken. Die Sevillistas werden also dementsprechend auf Sieg spielen, und dabei auch vermutlich nicht so tief stehen wie Mallorca und Leganés.
Ein Faustpfand für Sevilla war immer ihr Stadion, das Estadio Ramón Sánchez Pizjuán. Besonders in Spitzenspielen wurde die Spielstätte regelmäßig zu einem Hexenkessel. Das musste auch Barça schon am eigenen Leib erfahren, auch wenn man die letzten drei Auftritte im Sánchez Pizjuán mit 4:2, 2:2 und 2:1 relativ erfolgreich bestreiten konnte. Die Ergebnisse zeigen aber: Es war immer eine knappe und heiß umkämpfte Angelegenheit.
Der Vorteil der Fans fällt durch die Corona-Pandemie nun weg, und damit auch einer von Sevillas größten Trümpfen. Es bleibt abzuwarten, ob sie ihren mutigen Spielstil auch gegen Barça umsetzen. Für Ivan Rakitic, der selbst dreieinhalb Jahre bei Sevilla spielte, steht das außer Frage. Es werde ein “schweres Spiel” im Sánchez Pizjuán, prognostizierte der Kroate.
Wiedersehen mit Munir
Besonders aufpassen muss Barcelona auf Flügelstürmer Lucas Ocampos. Der Argentinier, der vor der Saison von Olympique Marseille kam, hat bereits elf Saisontore auf seinem Konto. Auf Jordi Alba wird also einiges an Arbeit zukommen, es wird gespannt zu beobachten sein, ob ihn Ocampos ausreichend beschäftigen kann, um Albas gefährlichen offensiven Läufe über die linke Seite zu minimieren.
Aber auch die Innenverteidigung muss sich in Acht nehmen, denn ein alter Bekannter aus der Bundesliga kommt immer besser in Fahrt: Luuk de Jong. Im Hinspiel im Camp Nou noch als Chancentod in Erscheinung getreten, hat sich der Niederländer mittlerweile an die LaLiga gewöhnt.
Beim 1:1 gegen Levante markierte er den Führungstreffer und sein insgesamt sechstes Saisontor. Die Vorlage kam dabei vom ehemaligen Barça-Spieler Munir El Haddadi. Das einstige Toptalent hat es aber auch in Sevilla schwer, auf Einsatzzeit zu kommen. Trainer Julen Lopetegui setzte ihn bislang nur in zwölf von 29 möglichen Spielen ein. Obwohl er so selten auflaufen darf und oftmals nicht einmal im 23-Mann-Kader steht, kommt er in seinen zwölf Spielen auf vier Scorerpunkte, genauer gesagt zwei Tore und zwei Assists. Sollte er gegen Barça von Beginn an spielen, dürfte seine Motivation gegen die alten Kollegen mit Sicherheit sehr groß sein.